BassMuseum: Gibson RD Artist Natural (1979)
BassMuseum Gibson RD Artist Natural von 1979 Von Hermann Eckholt – The Bass Hunter
Liebe Leserinnen und Leser, in der Ausgabe BASS PROFESSOR 1/2013 habe ich euch einen erlesenen Gibson RD Artist Bass in sunburst mit Ebenholzgriffbrett vorgestellt. Das ist nun eine Weile her und es gab diesen besonderen Bass noch in anderen Ausführungen. Denn neben einer komplett schwarzen Version gab es diesen Gibson RD Artist noch als Blondine mit Ahorngriffbrett und transparenter Hochglanzlackierung. Ein äußerst gut erhaltenes Exemplar dieser Version möchte ich euch in dieser Folge des Bass Museums nicht vorenthalten.
Nach der erfolgreichen, limitierten Serie des Thunderbird Basses im Jahr 1976 (passend zur 200 Jahr Feier der Unabhängigkeit Amerikas), wollte Gibson in der zweiten Hälfte der Siebziger zum nächsten Coup auf dem Bassmarkt ausholen. Leider ging der Schuss gründlich daneben und dem RD Artist war trotz des extravaganten Aussehens, des kräftigen Sounds, der aufwändigen Elektronik von Moog und der ansprechenden Bespielbarkeit kein Erfolg beschienen.
Gibson startete mit der Werbung für die neue RD Serie gegen Ende 1977 und im folgenden Jahr waren die RD Modelle im gut sortierten Fachhandel in den USA und wenig später auch in Deutschland zu finden. Es wurden von RD Artist Modellen in der Zeit von 1977 bis Ende 1979 genau 2640 Stück gebaut. Aus Gründen, die niemand richtig nachvollziehen kann, kam diese Serie bei den Musikern nicht so gut an und verschwand Anfang der Achtziger wieder komplett von der Bildfl äche. Eigentlich sehr schade, dass dieser Bass so wenig Beachtung fand, denn hier handelt es sich um einen sehr guten und vielseitig einsetzbaren Bass mit gutem Ton. Als günstigere Alternative im Vergleich zu dem hochwertigen RD Artist gab es noch den RD Standard Bass mit seinen zwei kleinen Jazz Bass ähnlichen Humbuckern. Der RD Standard musste leider ohne aktive Elektronik auskommen.
Allein schon die geschwungene Form dieses RD Basses lässt heutzutage bei vielen Gibson Bass Fans die Herzen höherschlagen. Leichte Ähnlichkeiten im Korpusdesign zum Thunderbird fallen schon ins Auge. Die ausgeprägte Armaufl age und die Rundungen vorne am Korpus sowie die Position des Pickguards sind ähnlich. Auf dem Vintage Bass Markt ist der RD Artist Bass in einem sehr gut erhaltenen Zustand nicht gerade günstig zu erwerben, weil viele Gibson Bass Freaks ihre alten RD Bässe nicht gern aus der Hand geben.
Dieser Bass hier ist etwas ganz Besonderes. Gekauft wurde er laut Kaufbeleg in einem Fachgeschäft in Köln im Frühjahr 1980. Als der Bass in meine Hände gelangte, waren sämtliche Belege waren noch dabei, zudem auch noch die etwas altertümliche Kaufquittung. Den Text dieser Quittung sollte man sich auf der Zunge zergehen lassen, denn da steht tatsächlich:
„Zur Sicherung aller Ansprüche des Verkäufers aus diesem Vertrag trete ich hiermit den pfändbaren Teil meines jetzigen und zukünftigen Arbeitseinkommens an den Verkäufer ab und versichere, dass keine Rechte Dritter hieran bestehen und keinerlei gerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren gegen mich anhängig sind. Mein Ehegatte ist mit diesem Kauf einverstanden.“
Diesen Vertrag musste der Kunde tatsächlich unterschreiben! Da kann man mal sehen, wie sehr sich die Zeiten verändert haben!
Obwohl der Bass seit den frühen Achtzigern nicht mehr gespielt wurde, befindet er sich Dank guter Lagerung und zeitweiliger Lüftung des Cases in einem bemerkenswert guten Zustand. Bei den Potis und vor allem bei den Kippschaltern macht sich das lange Pausieren jedoch bemerkbar. Das Knistern und Knacken der leicht angelaufenen mechanischen Teile ist über den Amp gut zu hören. Meistens renkt sich das Phänomen von allein wieder ein, wenn die Schalter und Potis regelmäßig bedient werden. Trotz des speziellen Handlings macht der Bass sofort viel Spaß. Durch seine recht massive Bauweise bringt der Gibson RD Artist leider satte 5,4 kg auf die Waage. Trotz eines breiten Gelgurtes macht sich das Gewicht nach einiger Zeit auf der linken Schulter deutlich bemerkbar – nicht so ideal für lange Gigs oder Sessions. Im Sitzen hingegen schmiegt sich der Korpus perfekt an den Körper an. In stehender Spielposition kommt wegen der großen Kopfplatte und der schweren großen Mechaniken noch leichte Kopfl astigkeit hinzu. Wer sich also für einen RD Artist entschiedet, sollte sich auf dieses Handling einlassen.
Als jahrelanger Thunderbird Spieler ist man ja an die großen Dimensionen der Gibson Bässe gewohnt. Gibson Bass Neulinge hingegen werden sich an die Länge des Instrumentes erst einmal gewöhnen müssen, besonders wenn man viel in den tiefen Lagen unterwegs ist. Das Spiel der rechten Hand unterstützt die geschwungene Form des Bodies, denn da lässt sich der Arm, im Sitzen wie im Stehen, sehr gut aufl egen. Der vordere Korpusbereich ist schön schlank gehalten und somit sind alle Lagen überall gleich gut zu erreichen und zu bespielen.
Durch den massiven, aus drei Teilen Ahorn zusammengesetzten Korpus kommt natürlich dieser extrem volle Ton zustande. Die Saiten schwingen wirklich sensationell! Mir gefällt dieser komplett aus Ahorn gebaute Bass vom Sound her besser als der im letzten Bericht vorgestellte Bass mit dem Ebenholz-Griffbrett. Da klingen die RD Artist-Bässe doch sehr unterschiedlich. Mir kommt es so vor, als ob die Bässe mit Maple-Griffbrett im Mittenbereich etwas mehr drücken als die Kollegen mit dem Ebenholz-Griffbrett.
Aber werfen wir mal einen Blick auf die sagenhafte Elektronik. Der Keyboard-Pionier Moog gehörte in den Siebzigern wie Gibson zum Norlin-Konzern und wurde damit beauftragt, für diesen Bass eine aktive Elektronik zu entwickeln. Der Blick auf die Rückseite ist immer atemberaubend, denn die riesige Platine mit der Elektronik erstreckt sich über die komplette Unterseite des ausladenden Korpus. Auffällig ist ein kleines Trimm Poti, das durch ein kleines Loch in der Abdeckung erreichbar bleibt und zum Schutz gegen Staub durch einen kleinen Gummiverschluss wieder verschlossen wird. Um die Batterien zu wechseln, ist es zum Glück nicht notwendig die gesamte Abdeckung abzuschrauben (elf Schrauben!). Man öffnet nur eine kleine Klappe am äußeren Ende und kann dann die Batterie bei Bedarf wechseln.
Außer der normalen aktiven Höhen- und Bass Anhebung oder Absenkung verfügt der Bass über eine Kompressions- und Expansions-Funktion. Diese wird durch den oberen Kippschalter bedient und aktiviert. Diese Effekte sind wirklich Geschmacksache und die Herren von Moog hätten sich diese meiner bescheidenen Meinung nach ruhig sparen können. Aber es gibt ja Kollegen, die das anders sehen und von diesen Effekten Gebrauch machen.
Der zweite Kippschalter dient der Wahl der Tonabnehmer. Man kennt diesen Toggle-Switch von den Gitarren. Auf einem Bass mit zwei Volumenreglern – wie auf diesem Instrument – ist der Switch allerdings für mich komplett überflüssig. Mit den schwarzen Potiknöpfen, die sich gut zum Finish des Gibson Basses passen, lässt sich der 2-Band-EQ recht gut bedienen. Die Regelbereiche der einzelnen Frequenzbänder sind sehr effektiv und können das Klangbild stark beeinfl ussen. Es können massive Höhen oder wuchtige Bässe hinzugeregelt werden. Aber auch die einzelnen Absenkungen funktionieren recht gut. Bei dem RD Artist können die Saiten an der Brücke eingehängt oder durch den Korpus gezogen werden. Das hat Gibson vorher schon bei den Grabber Bass Modellen so gemacht. Beim Grabber geschieht das aber in einer Art Leichtbauweise mit einer eingelassenen kleinen Grundplatte auf der Korpusrückseite. Beim Artist werden die Saiten auf der Rückseite durch Hülsen gehalten. Die Arbeit wurde sauber ausgeführt und die Löcher wurden sauber gebohrt. Der dreiteilige Ahornhals liegt richtig gut in der Hand. Das aufgeleimte Ahorngriffbrett ist knapp zwei Millimeter dick. So kann der Spannstab von oben eingelegt werden bevor das Griffbrett verleimt wird. Wie gewohnt, werden die Gibson-Bässe oben an der Kopfplatte eingestellt. Dezent hinter der traditionellen Gibson Glocke mit der Typenbezeichnung befi ndet sich der Zugang zum Spannstab. Die Kopfplatte ist recht groß und kantig ausgefallen und fand bereits Verwendung bei anderen Bassmodellen wie z.B. beim Ripper oder dem EB 3. Einmal mehr bewundere ich die optisch sehr gelungene Perlmutteinlage auf der Kopfplatte.
Auf der Kopfplattenrückseite ist die codierte Seriennummer eingestanzt. Die erste und die fünfte Zahl verraten das Baujahr. Die Zahl zwei, drei und vier geben den Produktionstag an. Die hinteren drei Zahlen benennen die an dem Tag gebaute Stückzahl. Ist diese unter 500, wurde der Bass in Kalamazoo (Michigan) in den USA gebaut. Ist diese Zahl über 500, kommt das Instrument aus Nashville (Tennessee).
Darunter noch schlicht eingestanzt „Made in USA“. Der Hals wurde Gibson typisch (wie bei einer Les Paul Gitarre) in den Korpus eingeleimt und sitzt bombenfest. Doch die Company konnte auch aus Fehlern lernen. Denn leider fehlte bei den frühen Thunderbird Bässen eine sinnvolle Stabilisierung zwischen dem Übergang vom Hals zur Kopfplatte, was zu vielen Brüchen führte. Das habe ich leider auch zweimal in meinem Leben geschafft! Bei dem Gibson RD Artist gibt es an der besagten Stelle eine stabile Nase, die vor Brüchen schützt.
Ich habe im Jahr 1978 den ersten RD Artist über einen Versandhandel gekauft. Der Sonderpreis von DM 1.690,– inkl. Koffer hatte mich schnell überzeugt. Später habe ich den Bass im Juni 1979 gegen einen Music Man Sting Ray getauscht bzw. in Zahlung gegeben. Mir war der RD Artist Bass, damals wie heute, doch nach einiger Zeit zu schwer und irgendwie zu sperrig. Trotzdem ein toller Bass, der viel Spaß macht! In diesem Sinn: Rock on!
Bass Professor 3/2017 - Ausgabe 90, Seite 60