Der Status ist ja ähnlich aufgebaut wie das berühmte Steinberger Bass Paddel. Doch während der Steinberger nur einen kleinen Graphit-Korpus hat, wurden bei dem Status an dem durchgehenden Graphit-Mittelteil links und rechts Holzfl ügel angesetzt. Das sieht nicht nur ansprechender aus, sondern gibt einem im täglichen Umgang ein Spielgefühl, wie man das auch bei „herkömmlichen“ Bässen kennt. Das Headless-Design war ja Anfang der Achtziger komplett neu und geradezu revolutionär: die Basssaiten wurden nicht um eine Mechanik gewickelt, sondern mussten lediglich an der Brücke und oben am Sattel eingehängt werden. Das war – allein schon aus optischen Gründen – nicht jedermanns Sache. Und so gab es vom Start weg extreme Gegner dieses eigentlich vorteilhaften Designs. Auf kleinen Bühnen gewinnt man durch die fehlende Kopfplatte eine sinnvolle Platzersparnis. Ich habe mal vor Jahren mit meiner Band auf einem Schiff auf der Nordsee gespielt. Als „Bühne“ wurde uns nur eine kleine Ecke auf dem Unterdeck zugewiesen, und wir konnten uns während des Auftritts kaum bewegen. Und als ob ich das schon geahnt hätte, hatte ich für diesen Gig praktischerweise meinen Status und sogar den Steinberger eingepackt. Es ist sowieso immer gut mit zwei Bässen unterwegs zu sein, falls mal an einem der Bässe irgendetwas ausfallen sollte.
Der Steinberger wurde damals bei seiner Markteinführung von Profi musikern wegen seiner geringen Abmessungen geliebt. Dank der kleinen Form eignete er sich ideal als Reisebass und nahm in jedem Taxi und im Flugzeug nur wenig Platz ein. Soundlich waren beide Bässe ebenfalls ganz weit vorn und konnten wegen der Graphit-Hälse (ohne Deadspots!) mehr als überzeugen. Geoff Gould hat in den siebziger Jahren die Fertigung von Graphithälsen begründet und als ersten Hersteller in der Bassbaubranche Alembic mit Graphithälsen beliefert, später sollte daraus die amerikanische Firma Modulus werden. Der Designer Ned Steinberger hat die Idee mit dem Graphit aufgegriffen und für seinen L2 verwendet. Der englische Hersteller Status hat dann – für meinen Geschmack – den E-Bass aus Graphit perfektioniert. Der Status liegt perfekt am Körper – sowohl mit Gurt als auch im Sitzen. Es gibt am Body keine störenden scharfen Kanten, der Hals ist super griffig und dank der traumhaft fl achen Saitenlage schnell bespielbar. Die Armaufl age ist angenehm schräg abgefl acht und sorgt für ein bequemes Handling. Am Ende des Bodies liegt die schräg montierte und sehr markante Double Ball End Brücke mit ihren vier Stimmschrauben. Der Halsansatz am Korpus ist sehr kräftig gestaltet und verleiht der gesamten Konstruktion Stabilität. Und ich bin mir sicher, dass sich diese Masse auch positiv bemerkbar macht. Das Halsprofil fühlt sich sehr angenehm an, es ist flach, besitzt jedoch eine gut zu bespielenden Breite.
Der Status Bass war ja von Anfang an in einer bundierten und bundlosen Version lieferbar. Ob jedoch dieser dynamische und funkige Bass tatsächlich als Fretless bestellt wurde, daran hatte ich meine Zweifel. Und als ich dieses seltene Exemplar zum ersten Mal in den Händen hielt, war ich alle andere als begeistert. Dieser Bass wurde offensichtlich immer mit normalen Roundwound Saiten bespielt worden, was dem Ebonol-Griffbrett, das sich auf allen Status- Bässen befi ndet, alles andere als gut bekommen ist. An jener Stelle, wo sonst die Bünde gewesen wären, hatte man diese durch weiße Kunststoffstreifen ersetzt. Das Griffbrett sah durch die jahrelange Benutzung mit Roundwound Saiten deutlich benutzt aus, die ungeschliffenen Saiten hatten tiefe Kerben auf der Griffbrettoberfläche hinterlassen.
Doch weil alte Status Serie 2 Bässe so gut wie vom Erdboden verschwunden sind, hatte ich vor Ort entschieden, dem Bass ein neues zuhause zu geben. Die Besitzer alter Status Serie 2 Bässe verkaufen scheinbar ihre alten Schätze nicht, das finde ich durchaus positiv. Einen gepfl egten alten Serie 2 Bass zu bekommen, ist kaum mehr möglich. Daher sollte man zugreifen, wenn sich eine Chance ergibt. In England werden für gut erhaltene Serie 2 Bässe oft über 2500 englische Pfund verlangt. Der damalige Neupreis in den Achtziger Jahren war ja auch nicht ganz ohne – stolze DM 4.200,- musste man hinblättern, um so einen Bass mit nach Hause nehmen zu können. Das war viel Geld – auch aus heutiger Sicht. Um den Bass wieder in einen spielbereiten Zustand zubringen, musste als erstes das Griffbrett wieder hergestellt werden. Mit feinem Schleifpapier habe ich vorsichtig die tiefen Kerben herausgeschliffen. Zum Glück klappte das besser als erwartet! Den letzten Feinschliff erhielt das Griffbrett mit dem Klotz, damit die Wölbung erhalten blieb. Anschließend war die Oberfläche wieder blank und glatt wie eine Eisfläche.
Damit in Zukunft keine tiefen Spielkerben mehr entstehen können und das Griffbrett möglichst lange erhalten bleibt, habe ich schwarze, mit Nylon umwickelte Flatwounds aufgezogen. Mir war der Sound eines Status Fretless bisher nur durch Guy Pratt bei seiner damaligen Band Icehouse und später bei Pink Floyd bekannt. Aber jetzt durch diese umsponnenen Saiten war ich umso überraschter von dem Ergebnis! Die Black Nylon Saiten lieferten in Verbindung mit dem sustainreichen Graphit-Hals einen ungewohnten weichen, warmen, Kontrabass-ähnlichen Ton. Ein spannender Sound – vielleicht einen kleinen Ticken zu sauber. Dabei erwies es sich als Vorteil, dass der Sattel oben am Halsende über vier Inbusschrauben verfügt. Durch diese Klemmschrauben können herkömmliche Basssaiten aufgezogen werden, denn die Auswahl an Double Ball Saiten (die oben und unten nur eingehängt werden) ist ja doch bescheiden. Im Gegensatz zu Steinberger hat Rob Green bei seinen Status Bässen einen Sattel eingebaut, der beide Möglichkeiten erlaubt. Der Sattel war bei den ganz frühen Status Bässen noch relativ schmal gehalten. Da ist leider einigen Bassisten, die ihre Saiten mit den Inbusschrauben fi xiert haben, die Seitenwand des Sattels weggebrochen. Vor allem die E-Saite war oft betroffen. Bei diesem Serie 2 Bass ist schon die zweite Generation mit dem größeren Sattel verbaut worden. Hier hat diese Halterung wesentlich mehr Masse und kann dadurch nicht so schnell brechen. Dafür wurde der Hals auch etwas verlängert, damit dieser neue Sattel auch genug Platz hat.
Auf Dauer klangen die Nylonsaiten einfach zu dumpf und zu träge – ein schön knurriger Ton à la Jaco ließ sich damit ebenfalls nicht erzeugen. Auch der Einsatz von Pressurewound-Saiten brachte nur kurzzeitigen Erfolg und ich fragte mich, ob der Bass mit Bünden nicht einfach besser klingen würde?
Ich hatte vor vielen Jahren mal einen ganz alten bundierten Status von Anfang 1983 mit einer zweistelligen Seriennummer gekauft. An den Punktmarkierungen der Griffbrettkante konnte ich erkennen, dass dieser Bass vorher auch mal ein bundloser Bass gewesen sein musste. Die Punktmarkierungen sind ja bei einem Fretless Bass oft anders gesetzt als beim bundierten. Bei manchen Herstellern werden beim Fretless die Dots direkt auf den Bund und nicht mittig zwischen die Bünde gesetzt. Diesen frühen Status hatte ich dann wieder verkauft, weil er mit den falschen Bünden ausgestattet war. Wandelt man einen bundlosen Bass in einen mit Bünden um, ist es wichtig, auf die richtige Bundgröße zu achten. Und – Vorsicht – es gibt viele verschiedene Bundsorten! Sich bei einem Hals mit 24-Bünden für extrem dicke Jumbo Frets zu entscheiden, grenzt für mich schon an Dummheit. Das Spielgefühl ist alles andere als angenehm, vor allem in den hohen Lagen. Deshalb hatte ich mich von diesem Instrument wieder getrennt.
Doch bei diesem Bass aus Köln mit seinem warmen und angenehmen Sound, mit seiner fast einen Zentimeter starken Palisander-Decke und dem Walnuss Body – bei diesem Instrument wollte ich das Risiko eingehen, ihn neu bundieren zu lassen. Mit der Neubundierung wurde der Bass- und Gitarrenbauer Jozsi Lak beauftragt. Er hat für mich nicht nur die ein oder andere Lackierarbeit durchgeführt, er hat sich auch als Hersteller hervorragender Bässe einen Namen gemacht. Im Vorfeld klärten wir die Details bezüglich der Bundstärke, die sich natürlich nah am Original orientieren sollte. Nachdem ich den Bass verschickt hatte, begannen einigen bange Wochen der Ungewissheit. Endlich traf der Status wieder bei mir ein – und ich war sprachlos! Meine Erwartungen waren voll erfüllt worden, zum ersten Mal hielt ich einen Status in der Hand der perfekt bundiert war. Ich hatte ja im meinen Leben schon einige Status-Bässe in der Hand und leider waren einige alles andere als sauber bundiert. Es wurde oft zu weiches Bundmaterial eingesetzt und wenn man viel mit seinem Bass unterwegs war, bildeten sich bald die üblichen und nervigen Spielkerben. An dieser Stelle muss ich ein Kompliment an die Hersteller von Alembic loswerden. Auch nach vielen Spieleinsätzen zeigen sich keinerlei Spielspuren auf der Bundstäbchenoberfläche – hier wird offensichtlich solides und hartes Bundmaterial eingesetzt. Abgesehen davon, kann man bei einem Instrument, das einst über DM 4.000,- gekostet hat, hochwertige Bünde erwarten.
Ich hatte bei meinem ersten Serie 2 von 1984 die Frets schon nach einigen Jahren Dauereinsatz richtig platt gespielt und sah damals schon einer aufwändigen Neubundierung entgegen – die zu diesen Zeiten keiner durchführen konnte oder wollte. Bundstäbchen in Ebonol- Griffbrettern austauschen war nicht jedermanns Sache. Und das war ein Grund, warum ist mich damals von diesem tollen Instrument wieder getrennt habe. Zum Glück gibt es heute Leute, die ihr Fach beherrschen und extrem gute Arbeit leisten.
Ich hatte zudem immer geglaubt, dass die Pickups mit verschlossenen Kappen nicht so gut klängen, wie die Tonabnehmer mit den offenen Gehäusen, wo die Pole-Pieces zu sehen sind. Diese wurden nur bis Seriennummer 150 verbaut, anschließend gab es nur noch die verschlossenen Varianten. Denn eigentlich ist die Version mit den offenen Polen bei der direkten Tonabnahme der Saite unschlagbar. Dennoch bin ich über den direkten Ton sehr überrascht, den dieses Instrument liefert. Der Ton erinnert mich sehr an die besten Zeiten mit meinem alten Status von 1984 mit den offenen Pickups – ich merke eigentlich keinen Unterschied. Unterm Strich muss ich sagen, dass sich der Umbau voll und ganz gelohnt hat. Der Bass hat den angenehmen tiefen, warmen und bassigen Ton behalten und die angenehme Bespielbarkeit begeistert mich seitdem ständig aufs Neue. Nur ein bundierter Status offenbart diesen knackigen und typischen Sound, mit viel funky Punch und klarem Durchsetzungsvermögen. Und gern erinnere ich mich an die deutsche Bass-Ikone Wolfgang Schmid, der in den Achtzigern und frühen Neunzigern mit dem Plektrum auf seinem alten Status Serie 2 unterwegs war. Und was man alles auf einem guten alten Status anstellen konnte, zeigte der Engländer Joe Hubbard 1985 auf seiner bei Coda Records erschienen Platte „Nip It In The Bud“. Laut einer Bemerkung auf der Plattenhülle handelt es sich um den besten Bass, den er jemals in den Händen gehabt hat. Und dass Headless- Bässe wieder auf dem Vormarsch sind, konnte man an letzten Ausgabe des BASS PROFESSOR sehen, denn da war ein Bogart ohne Kopfplatte auf dem Titel. Die Achtziger Jahre sind wieder modern!
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Vergleich Jazz Bass 1964 mit Custom Shop Jazz Bass | {audio}images/M_images/bp_magazin/2015_01/bp1_15_bmu_fender_reds/audio2/bp1_15_bmu_fender_reds_output_vergleich_jb_1964_zu_cs_jb.mp3{/audio} |
Precision Bass 1965 | {audio}images/M_images/bp_magazin/2015_01/bp1_15_bmu_fender_reds/audio2/bp1_15_bmu_fender_reds_precision_bass_1965.mp3{/audio} |
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BassMuseum von Hermann Eckholt - The Bass Hunter. Hallo, liebe Leser des BASS PROFESSORs! In dieser Ausgabe seht ihr zwei Industrieprodukte aus dem Jahre 1968, die vielen Liebhabern das Herz höher schlagen lassen dürften. Die Autofreunde unter euch werden sich bestimmt sofort in diesen top und in seiner Originalfarbe erhaltenen VW Bulli vergucken. Ein tolles Gefährt! Auch der Motorsound ist einfach kultig – mit schönem Logo wäre dieses Mobil doch ein Traum von einem Bandbus, oder? Doch für uns Bassisten ist natürlich vor allem der wunderschöne und sehr seltene Fender Telecaster Bass ein fast unerreichbarer Traum, denn das Instrument wurde nur im Jahre 1968 in der vorliegenden Farbe Pink Paisley produziert. Folglich gibt es nicht viele Exemplare von diesen Hinguckern.
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BassMuseum von Hermann Eckholt - The Bass Hunter. Heute möchte ich mit euch im BASS MUSEUM wieder zu den Gibson-Bässen abtauchen. Im Vergleich zu den Fender-Spielern ist die Anzahl derer, die den Gibson-Bässen verfallen sind, bekanntlich ja deutlich kleiner. Der Grund: Sound und die Bespielbarkeit sind nicht immer jedermanns Sache – da sind Leo Fenders Entwürfe deutlich gefälliger. (inklusive Audiofiles!)
BassMuseum: Sadowsky Vintage Bass in Coral Salmon Pink. Von Hermann Eckholt - The Bass Hunter. Roger Sadowsky, Bassbauer in New York, traf ich zum ersten Mal in Los Angeles während der Namm Show 1995. Auf einem kleinen Messestand bot dieser sympathische Mann seine top verarbeiteten Instrumente an. Seine angestrebte Perfektion erkannte man – unter anderem – sofort an den fantastisch gearbeiteten Sattelkerben für die Saiten. Superfl ach wurden die Saiten über den ersten Bund geführt, und eine traumhafte Bespielbarkeit empfing den Spieler/ Tester. Aber auch die äußerst direkte Tonansprache ließ einen aus dem Staunen nicht mehr herauskommen.
Drei Wochen nach der schrecklichen Attacke auf das World Trade Center in New York am 11. September 2001 besuchte ich Roger in seiner damaligen Werkstatt am Broadway zum ersten Mal. Diese lag in den oberen Stockwerken des Hauses mit der Nummer 1600. Wenn die überdimensionalen Reklametafeln draußen an der Hausfassade nicht die Sicht aus Rogers Räumen versperrt hätten, wäre die Aussicht auf den turbulenten Times Square, dem Herzen New Yorks, aus diesen oberen Etagen großartig. Die kleine Arbeitsstätte platzte förmlich aus allen Nähten: Es war überall eng und vollgestellt, der Empfangsraum mit Tresen, in dem wir auch das Bild mit ihm und mir gemacht haben, war an den Wänden übersät mit überwiegend schwarz/weißen gerahmten Pressebildern.
Beide Pu |
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Da hing sie: das Who’s Who der Musikbranche. Die meisten Gesichter erkannte ich sofort, z.B. Paul Simon, Darryl Jones, Will Lee und natürlich auch Marcus Miller. Eine besonders schöne Widmung für den Hausherrn stand dort auf dem Bild: „Thank you Roger for the Marcus Miller Sound“. Es ist ja kein Geheimnis mehr, dass Marcus und Roger Sadowsky sich schon lange sehr gut kennen. Es war Roger, der Marcus für seinen Jazz Bass eine Badass-Brücke empfahl und auch montierte – ebenso wie den Stars Guitars-Preamp, auf dessen Sound später auch Sadowskys eigener Preamp getrimmt wurde. Spielt man auf einem seiner Jazz Bass-ähnlichen Bässe und fängt darauf an zu slappen, ist er sofort zu hören: Marcus Millers drahtiger Funk-Sound. Ein Genuss!
In Rogers Workshop habe ich auch die Bässe gespielt, die Will Lee in seiner Dave Letterman Show allabendlich spielte, da ist z.B. dieser blaue Bass mit Quilted Maple Top, Matching Headstock und D-Tuner. Will und Marcus sind ja enge Berater von Roger und erhalten von ihm natürlich auch schöne Sahneteilchen in Bassform zum spielen. So gibt es mittlerweile auch ein Will Lee-Sondermodel zu kaufen. Aber nicht nur die Funk-Experten sind den Sadowskys verfallen, sondern auch der ehemalige Metallica-Bassist Jason Newsted, der gleich elf Bässe auf einen Schlag (zum Preis von zehn) gekauft hat! Und auch die Bassikone Greg Lake (von Emerson, Lake & Palmer) ist ebenfalls im Sadowsky-Basslager angekommen.
Nach einiger Zeit ist Roger mit seinen Leuten aus der extrem hohen Mietzone Midtown New York nach Brooklyn in die Jay Street umgezogen. Der neue Workshop liegt in einem großen, bulligen Hauskomplex, direkt am Hudson River gelegen und nur einen Steinwurf von der berühmten Brooklyn Bridge entfernt. Dort traf ich überraschenderweise auf Mark Egan, den bekannten Fretless-Bassisten, der gerade seinen neuen Sadowsky-Bass abholte.
Viele von Sadowskys weltweit verstreuten Kunden fliegen nach New York, um ihr bestelltes Instrument persönlich abzuholen. Die neue Werkstatt ist super – Roger führte mich gelassen durch alle Räume, die einen sauberen und gepflegten Eindruck machen. Die Crew ist sehr nett, und auch der Showroom ist prima. Hier stehen einige beeindruckende Exemplare zum antesten bereit.
Aber ihr fragt euch nun bestimmt: „Was soll Roger Sadowsky mit seinen Bässen hier im Bass-Museum?“, wo doch bisher nur alte Schätzchen vorgestellt werden. Ganz einfach: Es gibt seit einiger Zeit die Vintage-Serie. Diese Bässe sind etwas anders als die normalerweise gebauten Edelteile, erhalten oft typische 60er-Jahre Finishes, Pickguards, sowie eine andere Elektronik mit zusätzlichem Vintage-Regler.
Ich habe mir die Zeit genommen, um mal diesen hier gezeigten Bass in der 60er-Farbe „Coral Salmon Pink“ mit einem sehr guten 64er Fender Jazz Bass zu vergleichen – und war überrascht, wie nah Roger mit seinem Nachbau am Original aus der Pre CBS-Zeit ist. Die schnelle und direkte Ansprache, der federleichte Erlekorpus, die Halsbreite oben am Sattel, das gesamte Spielfeeling auf einem schönen alten Bass ist tatsächlich da, wenn man einen Sadowsky Vintage um den Hals hängen hat. Unglaublich auch diese Kraft, die hinter diesem pinkfarbigen Bass steckt: Powervoll, klar und bassig kommt er daher – auf jeder Bühne ein Erlebnis!
Besonders gut gefällt mir der zusätzliche Vintage-Regler, eine Art Mittenregler, der nach meinem Geschmack auf den anderen Sadowsky-Modellen noch fehlte. Damit besitzt der Bass nun auch die vorher etwas vermissten Mitten im Sound, die ja schon sehr wichtig auf der Bühne sind, damit der Bass sich durchsetzen kann und die Musik kräftig nach vorne drückt. Vor allem hat man nun mit kleinen Handgriffen den Bass klanglich gut und schnell im Griff.
Die traditionell gehaltene Potiplatte beherbergt zwei Volumenregler (für jeden Tonabnehmer einen), gefolgt vom Mittenregler und dann ein Tandem-Poti, an dem oben die Höhen und darunter der Bassbereich anliegt. Die Klinkenbuchse ist an der Bodykante angebracht. Auf den Bildern ist meine bevorzugte Spieleinstellung gut zu erkennen: Damit kann auch nahezu jeder Mischer im Saal den Bass linear klanglich einfach übernehmen.
Der Hals ist sehr griffig und angenehm schlank, die Kopfplatte ist bei dieser Serie jedoch etwas dicker als sonst. Die Mechaniken mit großzügiger Übersetzung erlauben feines und genaues Stimmen. Auch bei diesem Bass ist der Sattel perfekt flach gekerbt worden. Der Hals hat ein dickes aufgeleimtes Griffbrett aus Brazilian Rosewood. Die Form ist wie bei alten Fender-Bässen als Slabboard-Griffbrett gestaltet worden, also von unten flach und gerade aufgeleimt und oben mit der üblichen Griffbrett Wölbung. Die Brücke finde ich auch sehr gelungen mit ihren für die Handflächen gut abgerundete Böckchen. Die Saiten brauchen deswegen nicht mehr vom Korpusende durch die Brücke gezogen werden, sondern können gleich von der Korpusmitte mit dem Ballend durch die Brücke und dann seitlich eingehakt werden. Die Tonabnehmer mit dem Sadowsky- Logo haben die gleiche Position und den gleichen Abstand zueinander wie beim alten 64er Fender Jazz Bass.
Angenehm ist natürlich auch das geringe Gesamtgewicht des Vintage Sadowskys mit gerade mal 3,8 kg – der Bass sitzt wie eine Lieblingsjacke! Der schön geschwungene Korpus ist etwas schlanker als bei den berühmten Vorbildern. Aber ehrlich gesagt sollte man dieses Kraft- und Soundpaket nicht mit anderen Bässen vergleichen, der Unterschied kann sehr extrem ausfallen und großen Frust auslösen. Ein Vergleich kann auch sogenannte Custom Shop-Bässe wie Billigheimer daherkommen lassen; schlapp, farblos und ohne Druck. Auch in Sachen Bundbearbeitung ist bei den meisten Mitbewerbern schnell das Ende der Qualitätsleiter erreicht. Die angenehm abgerundeten Fret-Enden fühlen sich gut an, auch nach einiger Zeit. Da steht kein Bund über, wie ich es in letzter Zeit oft bei anderen Bässen beobachten musste, bei denen oft nachgearbeitet bzw. nachgeschliffen werden muss, da viele Hälse leider nicht mehr lange genug gelagert werden, um eine gute Trockenheit bei der Verarbeitung zu gewährleisten.
Besonders erwähnenswert ist noch das Sadowsky/Incase Softcase. Nicht nur für Frauen ist das ein Traum mit seinen vielen praktischen Reißverschlussfächern. Unten befi ndet sich das Staufach für den Bass, darüber ein großes Fach für persönliche Sachen wie Noten, Unterlagen und ein Regencape für das gesamte Softcase – „für regnerische New Yorker Musiktage!“. Darüber ein zusätzliches Fach für Kabel oder Gurt, und davor noch eines für kleine Gegenstände wie Plektren, Stimmgerät – einfach genial!
Leider schlagen sich diese vielen kleinen positiven Details auch im Preis nieder: Er ist nicht ganz billig, so ein treuer Begleiter. Dafür ist dann aber jede Spielminute auf so einem Bass ist ein Genuss und jeden Dollar wert! Und ein 64er Pre CBS Fender Jazz Bass ist ja auch nicht gerade günstig zu bekommen. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich diese beiden wohl mit auf eine einsame Insel nehmen. Vermissen würde ich da basstechnisch eigentlich nichts mehr... naja, vielleicht mal hin und wieder einen alten Rickenbacker 4001, aber eigentlich würden diese beiden Bassraketen locker ausreichen. Ein gut klingender Fender Pre CBS Jazz Bass (von denen ich euch demnächst einen hier im Bass-Museum vorstellen werde) und der Vintage Sadowsky Bass zählen für mich zu den besten Bässen überhaupt. Ok, gute Precision Bässe vor 1965 gehören auch noch dazu...
Roger Sadowsky ist für viele der anspruchsvollen New Yorker Musiker die Kultfigur schlechthin, übrigens auch durch seine mit größter Sorgfalt ausgeführten Reparaturen bei alten Instrumenten. Ein ruhiger, äußerst freundlicher und gelassener Mensch, der nie stehen bleibt und immer nach vorne schaut. Vielleicht hat er aus diesem Grund seine letzte Bleibe wieder verlassen und ist jetzt aufs schöne Long Island umgezogen. Elegant und prachtvoll eingerichtete Räume laden dort ein, ganz in Ruhe diese Trauminstrumente anzutesten. Ich werde eines Tages Roger in seinen neuen Räumen einen Besuch abstatten und hier im BASS PROFESSOR darüber berichten und auch mal ein ausgedehntes Interview mit ihm führen. Vielleicht habe ich dann sogar etwas Glück und ein Marcus Miller ist zufällig auch gerade anwesend...
Roger schrieb mir einmal in einer E-Mail, nachdem er Bühnenbilder von mir mit seinem Bass gesehen hatte folgenden Satz: „It makes you look very handsome!“ Dafür bedanke ich mich und sende viele Grüße an den Meister auf Long Island. Mehr Infos gibt es übrigens unter: www.sadowsky.com
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